Vintage Objektive an einer modernen Kamera
26. Mai 2018 Photos und Text von Phil
Wie ihr wisst, verwendet heutzutage jeder Kamera-Hersteller seinen eigenen Objektivanschluss. Mittels Adapter lassen sich Objektive anderer Hersteller mit seiner eigenen Kamera kombinieren, was natürlich eine tolle Sache ist. Das ist zum Beispiel dann interessant, wenn man von einem Hersteller zu einem anderen wechselt und nicht gleich sämtliche Objektive tauschen möchte – oder kann. Ganz besonders interessant wird es aber, alte Objektive verwenden zu können, für die es keine (funktionierenden) Kameras mehr gibt – oder um Objektive aus der analogen Zeit auf modernen Digitalkameras auszuprobieren. Warum sollte man sowas machen wollen? Nun ja, jedes Objektiv hat nun mal einen eigenen Charakter. Und genau das möchte ich mit diesem Beitrag erörtern.
Zuerst mal meine aktuelle Ausrüstung
Meine Kamera.
Olympus OM-D E-M10 Mark II (die auf dem Micro-Four-Thirds Standard aufbaut) mit einer Jupiter-8 Linse über einem Adapter von GOBE montiert.
Meine Objektive.
Hintere Reihe:Tamron 14 – 150 mm F/3.5 – 5.8 Di III (das einzig “echte” Micro-Four-Thirds-Objektiv)
Super Carenar MC 1:2.8 / 35 mm (M42 Anschluss )
Vordere Reihe:Auto Kepcor Macro MC 1:2.8 / 28 mm (M42 Anschluss )
Jupiter-8 1:2 / 50 mm (russisches Glas aus dem Jahr 1963!) (M39 Anschluss )
Fujian CCTV 1:1.7 / 35 mm (C Anschluss )
Das beste daran: keines dieser Objektive (außer dem Tamron natürlich) hat mehr als 20€ gekostet.
Natürlich gibt es einiges zu beachten, wenn man diese Objektive an einer aktuellen Digitalkamera verwenden möchte. Zuerstmal braucht jedes Objektiv einen eigenen Adapter. Kostet zwar nicht viel, aber nicht für jeden Objektivanschluss gibt’s so leicht einen zu finden. Zweitens: kein Autofokus. Das heißt: man muss sich zum Fotografieren viel mehr Zeit nehmen. Und drittens: der Crop-Faktor (auch Formfaktor genannt). Der Crop-Faktor des Micro-Four-Thirds-Systems im Verhältnis zum Kleinbildformat (was immer noch als Standard angesehen wird) beträgt 2. Diesen müssen wir beachten, wenn wir mit alten Objektiven spielen. Das Jupiter-8 mit seinen 50 mm enspricht auf meiner Kamera einem 100 mm Objektiv. Vereinfacht ausgedrückt heißt das: Um den gleichen Bildausschnit wie an einer Kleinbildkamera zu erreichen, müsste ich doppelt so weit weg von meinem Subjekt stehen.
Aber jetzt zum Vergleich
Eine Kiwi-Pflanze auf meinem Balkon war mein Test-Subjekt; im Hintergrund ein paar Bäume, knapp 10 Meter weiter weg. Die Fotos sind unbearbeitete out-of-the-camera JPEGs, mit ISO 200 fotografiert. Ich habe sie nur von 4608 × 3072 nach 1920 × 1200 runtergerechnet. (Hier im Browser werden sie noch etwas kleiner dargestellt.)
Tamron 14 – 150 mm F/3.5 – 5.8 Di III | f/5.3, 108 mm (equiv.), 1/500 s
Beginnen wir mit dem Tamron M4/3 Zoom-Objektiv. Um irgendeine Art von Bokeh zu bekommen, müssen wir schon recht weit reinzoomen. Das Foto oben hat eine Brennweite, die dem des Jupiter-8 weiter unten sehr nahe kommt (ca. 100 mm), aber bei f/5.3 komplett anders aussieht.
Tamron 14 – 150 mm F/3.5 – 5.8 Di III | f/8, 300 mm (equiv.), 1/160 s
Wenn man bei einer kleinen Blende (wie hier f/8) einen cremigen Hintergrund möchte, muss man schon ein paar Meter nach hinten gehen und das volle Zoom ausnützen. Und obwohl der Hintergrund schön unscharf wird, gibt's keine Art von ausgeprägtem Bokeh oder Definition zu sehen.
Auto Kepcor Macro MC 1:2.8 / 28 mm | f/2.8, 56 mm (equiv.), 1/2000 s
Mit dem Auto Kepcor wird’s sofort interessanter. Ein mittelmäßiges Objektiv aus früheren Tagen, aber um diese Art der Tiefenunschärfe zu bekommen, können wir viel näher an unser Subjekt herangehen.
Jupiter-8 1:2 / 50 mm | f/2, 100 mm (equiv.), 1/2500 s
Dieses Objektiv aus der ehemaligen Sowjetunion ist mein neuer Favorit, wenns um Bokeh geht. Sein großer Nachteil: Man muss recht weit vom Subjekt stehen – näher als 1 Meter schafft es nicht. Trotzdem, diese Art von Hingergrund muss einfach gefallen!
Super Carenar MC 1:2.8 / 35 mm | f/2.8, 70 mm (equiv.), 1/1600 s
Auch ein Objektiv, das mich sehr überrascht hat. Es ist zwar beinahe so groß und schwer wie das Tamron (aber ohne Zoom-Funktion), aber der Hintergrund ist extrem schön aufgelöst.
Fujian CCTV 1:1.7 / 35 mm | f/2, 70 mm (equiv.), 1/5000 s
Scharf im Zentrum, weich an den Rändern und ein wirbelnder Bokeh, von dem einem fast schwindlig wird – das sind die Eigenschaften von diesem CCTV Objektiv aus China (ja genau, es ist eigentlich für eine Überwachungskamera gedacht). Wenn man die Blende ganz offen lässt, sollte man besser mehrere Fotos machen, weil seine Fokustiefe extrem schmal ist.
Mein Fazit
Ich mag diese alten Linsen wirklich sehr. Sie alle haben ihre eigenen Charakteristika; und auch wenn sie mein Tamron nicht als Immerdrauf ersetzen (können), hat jede ihr spezielles Einsatzgebiet. Achja, und die Sache mit dam fehlenden Autofokus? Das stört mich mittlerweile gar nicht mehr. Es bedeutet nur, dass man noch gewissenhafter fotografiert und sich mehr Zeit nehmen muss – oder kann . Und das ist nichts schlechtes!
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